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  • AutorenbildMaria

Manchmal möcht` ich hoch gehen wie eine Rakete...

Von einem tierisch wackeligen Nervenkostüm, dem Gefühl der Wut zu erliegen und wie wir doch noch durchatmen können







"Räum bitte deine Malsachen jetzt zusammen, wir wollen gleich essen!" Es vergehen ein paar Minuten. Nichts passiert. "Räum doch jetzt bitte deinen Kram zusammen, wir wollen gleich essen!" Es vergehen wieder ein paar Minuten. Nichts passiert. Ich merke, das die innere Anspannung steigt. Leise frage ich mich, ob das Kind mich ärgern oder wirklich nicht zu hören kann?

Mit deutlich mehr Nachdruck in der Stimme passe ich meine Bitte an: "Bitte, räume jetzt deine Sachen auf. Hast du mich eigentlich nicht verstanden? Wieso hörst du nie, wenn ich dich um etwas bitte?!" Das Kind blickt kurz auf "Jahaaaaa, mache ich gleich!" und vertieft sich wieder ins malen, summt und scheint wieder in einer anderen Welt zu sein... .

Das ärgert mich. Denn ich habe keine Lust etwas mehr als drei mal zu sagen und von mal zu mal lauter zu werden. Es nervt und ich hatte einen blöden Tag. Wir hatten heute einen blöden Tag, das Bauchtier und ich. Es gibt gute und schlechte Tage. An guten Tagen, gehe ich zu meinem Sohn, nehme Körperkontakt auf- also ich berühre mit meiner Hand seine Schulter, seinen Kopf oder seinen Arm- ich stelle eine Verbindung her. Eine Connection. Spreche ihn an und das was ich ihm mitteilen möchte, erreicht ihn. Er nimmt mich wahr. Doch in Momenten wie diesen, vergesse ich, wie ich das Muster durchbrechen kann. An Tagen wie diesen, werde ich laut und schimpfe. Wie alle Eltern glaube auch ich, das die eigene Lautstärken - Regelung der Stimme zu meinem Kind durchdringt. Das ihn meine Wort im Kopf erreichen. Typisch, dass wir in diesen Teufelskreis hinein geraten.


Etliche Male haben wir das erlebt. Etliche Male geht es gut, viele Male nicht. Es gibt eben gute und weniger gute Tage mit dem Bauchtier. Manchmal reagiert das Kind und kommt unserer Aufforderung nach. Meistens aber nicht.


Und dann? Wie geht diese Szene weiter? Es vergehen ein paar Minuten... .

Ganz individuell und doch überall glleich, ließe sich diese Szene fortsetzen. Das Ende ist wahrscheinlich größtenteils ähnlich: wir werden lauter, weil wir denken, dass Bauchtier zu erreichen. Vielleicht hört es uns besser, wenn wir nur deutlich genug sagen, was wir wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir geraten wie bereits erwähnt, in den Teufelskreis des oppositionellen Verhaltens und der daraus folgenden Reaktion. Wir brüllen und haben plötzlich selbst ein Bauchtier. Spätestens jetzt tritt das Bauchtier des Kindes zu Tage.

Der Wutausbruch eines Bauchtier Kindes ist kräftezehrend und anstrengend. ⁣ Manchmal sind es kleine Veränderungen ⁣im Tagesablauf oder die Überempfindlichkeit des Kindes steht ihm im Weg, dann kann es in Sekunden zu enormen Wutausbrüchen kommen. ⁣ Selbstverständlich sind alle Kinder mal wütend. Das sollen sie auch. ⁣Aggression kann auch gut sein. Ein Motor, der etwas ins Laufen bringt. Der Unterschied des Bauchtiers ist dadurch geprägt, dass das Kind während eines Wutausbruchs nicht erreichbar ist. Die Wut sucht sich ⁣ihren Weg. Und bleibt unkontrollierbar für alle Beteiligten. ⁣

In der Regel können Kinder ab dem achten Lebensjahr, mit Traurigkeit und Wut ⁣ umgehen. Ihre Wut zielorientierter einsetzen, zum Beispiel beim Sport. Das Bauchtier kann es nicht. ⁣Diese Kinder schaffen es nicht. Nicht weil sie dumm sind oder uns ärgern wollen. Es funktioniert einfach nicht. ⁣Auch gut gemeintes, ruhiges Ansprechen sowie Körperkontakt, erreichen Bauchtier Kinder während ihres Wutanfalls nicht. ⁣Meistens verschlimmert es den Wutanfall nur noch mehr. ⁣ ⁣ Was tun, wenn wir hilflos daneben stehen und das Kind aus dieser emotional hochexplosiven Situation helfen möchten, es aber nicht erreichen können? ⁣Wie sorgen wir selbst für einen achtsamen Umgang?

Es ist nicht einfach, die Überforderung vorher zu spüren. Es gibt Menschen, die können gut in sich selbst hinein horchen und nehmen die Wut vorher schon wahr. In der Tat gibt es auch Eltern, denen es gelingt ruhig und besonnen zu reagieren. Durchschnittlich wird es aber kaum einem Elternteil gelingen, nicht auch mal laut gegenüber dem eigenen Kind zu sein. Auch das ist in Ordnung. Auch ich habe viele Situationen erlebt, in denen ich nicht mehr weiter wusste und meinte jeden Moment zu zerspringen. Meine Wut und Hilflosigkeit waren mächtig, um so mehr ich mir vornahm diesen Teufelskreis zu durchbrechen, um so schneller geriet ich in die Brüllfalle. Druck erzeugt Gegendruck.


Um den Druck zu nehmen: das wackelige Nervenkostüm ist eigentliche eine gesunde Reaktion des Körpers. Die Warnung, das die Grenze des Zumutbaren erreicht ist, wird ja schon viel eher von unserem Körper signalisiert. Wir sollten lernen sie wahrzunehmen. Wir sollten lernen und uns trauen zu sagen, dass wir nicht mehr weiter wissen und es nicht mehr ertragen können. Wie soll es auch ertragbar sein, dem eigenen Kind und sich selbst hilflos gegenüber zu stehen? Sich dieser Tatsache bewusst zu werden, macht die eigene Situation um so vieles greifbarer und nimmt merklich die Belastung. Eine akute Maßnahme kann das Verlassen des Raums sein, indem sich das Kind und die Eltern befinden.

Mir hilft es sehr, das Zimmer zu verlassen und meinem Partner mitzuteilen: "Ich schaffe es heute nicht. Übernimm du jetzt!" Heute kann ich das sehr gut und habe gelernt, meine Grenzen wahr zu nehmen. Dies ist ein anhaltender Prozess. Nichts bewältigen wir von jetzt auf gleich. Alles braucht seine Zeit, auch den Mut zu sagen, dass wir nicht mehr weiter wissen. Das wir keine Kraft mehr haben. Das wir manchmal sogar Angst haben. Es ist in Ordnung und darf sein.

Ich wünsche dir viel Kraft und die Erfahrung, dass Kraft nicht unendlich ist und es in Ordnung ist nicht immer weiter zu wissen.






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